Verträumte Landschaften und einen Blick in die Zeit des Krieges
Besonders die beiden durch die Corona-Pandemie bestimmten Jahre 2020 und 2021 führten zu der Retrospektive „Walheide Wittmer – eine Brettener Künstlerin der Klassischen Moderne“. Die Ausstellung des Stadtmuseums Bretten macht zahlreiche Werke Walheide Wittmers erstmals einer breiten Öffentlichkeit zugänglich. Aufgrund der Museumsschließung konnten die Neueinrichtung des Museumdepots sowie die Auflösung mehrerer ehemaliger Depots vorangebracht werden. Ungeahnt wurden Werke der bis heute kaum bekannten Brettener Künstlerin wiederentdeckt, die in den späten 1990er Jahren mit weiteren persönlichen Dokumenten aus ihrem Nachlass durch Familienmitglieder in die städtischen Sammlungen gelangt sind. Darunter befinden sich Bescheinigungen zur Ausübung ihrer Tätigkeit als Gemälderestauratorin und Kleiderkarten als Zeugen einer entbehrungsreichen Zeit unmittelbar nach dem Zweiten Weltkrieg. Schwarz-Weiß Fotografien zeigen Walheide Wittmer in ihrem Restaurierungsatelier. Hinzu kommen Werke aus der Zeit des Studiums an der renommierten Badischen Landeskunstschule in Karlsruhe sowie nie veröffentlichte Spätwerke, die in der Gesamtheit ihren künstlerischen Werdegang beeindruckend nachzeichnen. Walheide Wittmer ist eine typische Vertreterin der Strömungen der ersten Jahrhunderthälfte im Südwesten, doch ihr Wirken fand zu Lebzeiten kaum Anerkennung: verträumte Figuren in zarten Landschaften, schlafende Frauen und spielende Kinder sind die häufigsten Motive, die sich im Werk der 1894 in Bretten geborenen Künstlerin wiederfinden. Das frühe 20. Jahrhundert mit der erstmaligen Möglichkeit auch für Frauen als Künstlerinnen ausgebildet zu werden und die folgenden politischen Umbrüche der Jahre zwischen der Weimarer Republik und der Herrschaft der Nationalsozialisten, prägten ihr künstlerisches Schaffen. Die Künstlerin setzte sich nicht nur mit den stilistischen Strömungen ihrer Zeit auseinander, sondern – nur sehr selten auf den ersten Augenschein erkennbar – auch mit den politischen Entwicklungen. Dies zeigt besonders ihre Schaffensphase in der Zeit um 1945. Das Werk Walheide Wittmers lässt den Rezipienten einen Blick in ihre Auseinandersetzung mit den Geschehnissen und Problemen ihrer Epoche und ihres Lebens werfen. Ihre innere Zwiesprache erweitert Sie mit ihren Bildern um einen Dialog mit dem Betrachter. Der Betrachter ihrer Werke kann diesen jedoch häufig erst durch die Wechselwirkung immer wiederkehrender Motive erfassen.
Mit dieser Ausstellung soll das Werk dieser herben, stets in sich gekehrten Frau gewürdigt werden, die sich bereits in der Zeit vor dem Krieg mit abstrakten Darstellungsformen tiefgehend auseinandersetzte und somit zahlreichen Künstlern und Künstlerinnen ihrer Generation Ungewöhnliches voraushatte. Das Leben der Malerin und Restauratorin, die Ihren Traum von der Kunst dennoch verwirklichen konnte, war durch häufige Wechsel von Anstellungen und finanziellen Nöten geprägt, bis sie schließlich nach der Zerstörung ihres Karlsruher Ateliers gegen Ende des 2. Weltkrieges wieder den Weg in ihre Heimat Bretten fand. Hier lebte und wirkte sie bis zu ihrem Tod im Jahr 1975. Die Ausstellung ist eine Hommage an eine außergewöhnliche Frau, die ihre vorgegebenen bürgerlichen Pfade verließ, um ihren persönlichen Weg in der Kunst zu verwirklichen.
Aufgrund der Pandemielage wird nicht wie üblich eine Vernissage mit Eröffnungsfeier ausgerichtet, das Museum wird stattdessen am Donnerstag, den 3. März außerordentlich von 15 bis 19 Uhr bei freiem Eintritt seine Pforten öffnen.
Öffnungszeiten: samstags, sonntags und feiertags von 11 bis 17 Uhr; Mittwoch 15 bis 19 Uhr. Der Eintritt ist frei. Dauer der Sonderausstellung: 03.03.2022 bis 31.08.2022
Foto: Max Brunner
Bildtitel: Walheide Wittmer – eine typische Vertreterin der neuen Sachlichkeit