Brettener Textilgeschichte(n): Der Kraichgau: (Natur)raum für das Handwerk

Morgenstimmung im fruchtbaren Kraichgau zwischen Gondelsheim und Obergrombach.
Der Kraichgau bietet mit seinen fruchtbaren Lössböden und zahlreichen Wasserläufen optimale naturräumliche Gegebenheiten zum Anbau von Pflanzen jeglicher Art. Aus dem Bereich der Textilverarbeitung wurden Flachs, Hanf und Krapp kultiviert. Diese Voraussetzungen begünstigten bereits im ausgehenden Spätmittelalter die Herausbildung eines differenzierten Textilgewerbes in Bretten. Das Gewerbe umfasst unterschiedliche Berufs-gruppen, darunter beispielsweise Woll- und Leinenweber, Tuchscherer und Färber. Zwar nicht im Bereich der Textil-verarbeitung, aber ebenfalls in großer Zahl sind in Bretten Gerbereibetriebe bezeugt sowie dem Gewerbe naheste-hende Handwerke. Ein reibungsloser Ablauf im Handwerk erforderte eine entsprechende Zufuhr von Wasser. Die to-pographische Lage Brettens, mit der im Süden der Stadt verlaufenden Salbach, ermöglichte die Ansiedlung der Brettener Gerber und sehr wahrscheinlich auch der textil-verarbeitenden Handwerker in diesem Bereich der Stadt.
Neben dem Anbau von Flachs und Hanf wurde in Bretten Krapp angebaut. Das förderte die gewerbliche Entwicklung sowie die industriellen Anfänge der Stadt seit der 2. Hälfte des 18. Jahrhunderts. Die Pflanze liefert einen Farbstoff, der zur roten Einfärbung von Textilien genutzt wurde. Der für die Färbung genutzte Stoff befindet sich in den Wur-zeln der
Krapppflanze. Färberröte (Rubia tinctorum) ist eine der äl-testen zur Färbung genutzten Pflanzen. Bereits im 2. Jahr-tausend v. Chr. wurde der Farbstoff in Ägypten verwendet.
Die Wurzeln werden frisch oder getrocknet gemahlen und über Nacht in einem Tuch gewässert. Während des Mittel-alters befanden sich große Anbauzentren in Speyer und im Elsass. In Bretten wurde im 18. und 19. Jahrhundert Krapp auf den umliegenden Feldern angebaut. Das Pulver wurde in einer Krappmühle aus der zuvor Getrockneten Pflanze durch Mahlen gewonnen. Die 1778 erwähnte – wahrscheinlich manufakturähnliche – Krappfabrik unter-stand dem in Bretten tätigen kurpfälzischen Oberamts-schultheißen Heinrich Arnold Pötz. Der Krappanbau steht in engster Verbindung mit dem Brettener Ökonom und Ag-rarwissenschaftler Stephan Gugenmus (1740 – 1778), der die Weiterentwicklung der Landwirtschaft in der Kurpfalz von der traditionellen Dreifelderwirtschaft hin zu ertragrei-cheren Anbau- und Düngemethoden förderte. Die Ent-wicklung chemischer Farbstoffe verdrängte das pflanzliche Färbemittel, und die Brettener Krappmühle konnte keinen ausreichenden Absatz mehr verzeichnen, was zu ihrer Schließung führte. In Bretten erinnert der Krappäckerweg in Rinklingen an die einstigen Fluren zwischen Rinklin-gen und dem heutigen Bahnhof. Auch auf den Deich-seläcker zwischen der Kernstadt und Diedelsheim befan-den sich einst Krappfelder.

BU: Morgenstimmung im fruchtbaren Kraichgau zwischen Gondelsheim und Obergrombach.
Foto: Max Brunner
Veröffentlicht am: 28.09.2021

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